Wie alle Musiktraditionen ist auch die bayerische Musik zwischen Wirtshausgesang und Vortragskunst, ständig in Bewegung, unterliegt Moden und Wellen, Aktionen und Reaktionen.
Ab Ende der 20er Jahre wendet sich ein Kreis um den ehemaligen Volkssänger und Schauspieler Paul Kiem und den Musik- und Philosophieprofessor Kurt Huber gegen den von ihnen so empfundenen Ausverkauf der Volksmusik durch den aufkeimenden Massentourismus, aber auch gegen das durch Klischees, Grobheiten oder auch politisch aufgeladene Volkssängertum in München. Kiem Pauli fordert ein Zurück zur Einfachheit; volksmusikalische Bühnendarstellung sollte eher zu didaktischen Zwecken als zur Selbstdarstellung oder zum Gelderwerb dienen. In der Zeit des Nationalsozialismus und danach sind diese ruhige, später so genannte Stubnmusik (mit Zither, Hackbrett, Gitarre, Harfe, Bass) oder die harmonischen Dreigesänge musikalische Rückzugsinseln gegen gebrüllte Kampflieder und Militärmärsche der nationalsozialistischen Ära. Diese Welle um Kiem Pauli, später Wastl Fanderl hält an bis in die siebziger Jahre. Leise, unkommerziell und politisch wollte man sein. Bis Ende der 70er Jahre gab es unter den Anhängern der Brauchtums- und Volksmusikbewegung eine Art Übereinstimmung: Wer traditionelle Volksmusik ausübt, tritt bescheiden auf, spielt nicht für Geld, trägt Tracht und aufgesteckte Haare, lehnt neue Strömungen der Musik wie Jazz, Blues, Rock ab, ist katholisch und steht der christlich-sozialen Partei Bayerns nahe. Die sich ihrerseits die Pflege der Tradition auf die Fahnen geschrieben hat. Im Gegensatz zur damaligen SPD: die Sozialdemokraten warben eher für Internationalität, Offenheit, Fortschritt, vernachlässigten aber die Themen Tradition, Heimat, Volksmusik, da man sie als rückständig und zu konservativ erachtete.
In den 1960er und 1970ern Jahren galt eine eindeutig Trennung: Wer politisch konservativ dachte, kurze Harre hatte, spielte Volksmusik, wer lange Haare und Jeans trug, hörte Beatles, Stones, Bob Dylan oder auch: englisch-amerikanisch-irische Folksongs, die ja in Großbritannien und den USA mit der Linken und der Gewerkschaftsbewegung einhergingen.
Vor allem in Münchner Studentenkreise bildete sich eine Szene, die sich der traditionellen Volksmusik verbunden fühlte, sich aber dem vermeintlichen Diktat, wie genau ein Lied gesungen werden, wie genau ein Tanz gespielt werden dürfe, welche Tracht dabei zu tragen sei, nicht unterordnen wollte. Viele Söhne und Töchter der konservativen Volksmusik-Familien lehnten sich auf: Manche hatten sich in der politisch aufgeheizten Zeit als Studenten eher der linken politischen Seite zugewandt; die meisten Protagonisten der neuen Szene definierten sich über ihre linke und alternative Einstellung. Musikalisch nahmen sie sich die Freiheit, Melodien zu verändern, zu rhythmisieren, Texte neu zu gestalten – und Anknüpfungspunkte an Blues, Jazz oder freie Musik zu suchen. Obacht 4 zeigt erstmals die Geschichte der bayerischen Folk- und Weltmusik zwischen 1976 und 2016 auf.